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Von der Kunst, richtig gute Fragen zu stellen 🎨
So geht es.
Hello Smart Chiefs,
Johann Wolfgang von Goethe ist einer dieser Menschen, die scheinbar zu jeder Lebenssituation einen passenden Spruch parat haben. Auch diesmal könnte eines seiner Zitate nicht passender sein: „Wenn Du eine weise Antwort verlangst, musst Du vernünftig fragen.“ Ich unterschreibe es genau so.
Nicht nur als Journalistin, sondern als Partnerin, Freundin und Unternehmerin bin ich fasziniert von der Kunst des Fragenstellens. Vielmehr noch, ich praktiziere sie bewusst und übe regelmäßig. Im Frühling des vergangenen Jahres besuchte ich sogar einen ganzen Workshop dazu. Sieben Stunden lang!
Warum das denn?
Präzises Fragen zwingt uns, vorauszudenken: Wir müssen uns mit dem Wesentlichen auseinandersetzen. Was ist es, was wir wirklich erfahren wollen? → Es spart uns und unseren Mitmenschen Zeit. Wir müssen nicht ständig nachbohren, kommen schneller auf den Punkt.
Präzises Fragen kostet (manchmal) Mut und Überwindung, schafft jedoch Klarheit.→ Es bewahrt vor Umwegen und Irrtümern. Wir wissen, woran wir sind.
Präzises Fragen erfordert Vorbereitung, sorgt aber für Tiefgang. → Es eröffnet uns andere, einzigartige Perspektiven. Wir lernen Neues.
Präzises Fragen ist eine Form des Respekts und zeigt, dass wir uns mit dem Menschen oder dem Thema auseinandergesetzt haben. → Wir werden von unserem Gegenüber wertgeschätzt.
Wie ĂĽben wir das?
Stell Dir vor, Du sitzt neben einem Milliardär – sagen wir Richard Branson – und hast genau 10 Minuten Zeit, um das Beste aus ihm rauszukitzeln. Wie gehst Du vor?
Sei präzise. Stelle Fragen, auf die Menschen leicht antworten können. Kürzlich wurde ich nach meinem Lieblingsbuch gefragt. Obwohl ich Hunderte empfehlen könnte, war in meinem Gehirn Ebbe. In der Hoffnung auch wirklich „das allerbeste“ herauszufinden, durchforstete ich im Affentempo alle Bücher der vergangenen zehn Jahre. Mein Problem war eines, das viele kennen dürften. Denn: Wenn wir unserem Gegenüber eine zu große Auswahlmöglichkeit lassen, ist dieser oft überfordert. In uns wird Panik ausgelöst, die dafür sorgt, dass wir gar keine oder nur eine unzufriedenstellende Antwort bekommen oder geben können. Das nervt uns und Menschen, die uns dabei zuhören – zum Beispiel, wenn wir Interviews für Podcasts oder Team-Meetings führen. Nichts ist langweiliger als ein inhaltsloses Gespräch, das an der Oberfläche kratzt. Im oben genannten Fall wäre diese die Frage besser gewesen: „Welches Buch hast Du in den vergangenen 12 Monaten am häufigsten verschenkt?“Ähnlich schwierig ist die Frage „Was macht Dich glücklich?“ Wer weiß darauf schon spontan eine tiefgründige Antwort? Und in welcher Situation überhaupt – in meiner Beziehung, im Job, beim Sport? Präziser ist: „Was entspannt Dich nach einem langen Arbeitstag?“→ Tipp: Frage Dich, ob jemand die Frage in fünf Sekunden oder weniger beantworten kann: „Was hast Du heute Morgen zum Frühstück gegessen?“
Wärme das Gespräch auf, dann gehe tiefer. Ein gutes Interview ist vergleichbar mit einem Workout: Um die Muskeln aufzuwärmen, starten wir schließlich lieber mit Hampelmännern als mit der 100-Kilo-Hantelbank. Genauso beim Fragenstellen: Wenn Du auf ein komplexes Thema eine Antwort wissen willst, lege nicht mit der schwersten Frage los. Besser: Lauft Euch gemeinsam warm, kommt in einen natürlichen Gesprächsfluss. Schaffe eine angenehme, intime Umgebung für Deinen Gesprächspartner, in der er oder sie bereit ist, sich zu öffnen. → Tipp: Oft hilft es bei schweren Fragen, ein Beispiel zu nennen. Du fragst: „Gibt es eine ungewöhnliche Sache, die Du besonders gerne oder häufig machst?“ und ergänzt – „zum Beispiel Zähneputzen auf einem Bein?“
Stelle keine Fragen, deren Antwort Du auf Google findest. Egal ob bei Podcast- oder Bewerbungs-Gesprächen: das Internet verhilft uns wie kein anderes Tool auf dieser Welt zu einem Wissensvorsprung. Insbesondere wenn ich mich mit Experten über ein Thema austauschen möchte, kann ich einen Großteil der Informationen im World Wide Web herausfinden. Leider tendieren wir oft dazu, uns genau dieses Wissen bestätigen zu lassen – anstatt die Chance zu nutzen, tiefer einzutauchen und auf diesem Wissen aufzubauen. → Tipp: Nutze Balkonfragen – oder auch: Plattformfragen. Sie heißen so, weil sie die eigentliche Frage auf einen „Balkon“ stellen. Zum Beispiel: „25 Prozent Ihrer Mitglieder haben kein Vertrauen mehr in Ihre Amtsführung. Wie reagieren Sie auf diese Stimmungslage?“ Vorne steht ein recherchierter Fakt, hinten dann die Frage. Das hilft uns bereits gelesenes Wissen voranzustellen, ohne dass wir den Interviewpartner erst danach fragen müssen. Wir können mit einer nachgestellten Frage also sofort tiefer einsteigen.
Zuhören, nicht nur hören. Journalisten müssen ihren Interviewpartnern genau zuhören, um deren Antworten wirklich erfassen zu können. Genau so sollte es allerdings auch in der Beziehung zu unserem Partner, unseren Mitarbeitern oder Freunden sein: Welche Worte wählt der Antwortende? Umschreibt er bestimmte Begriffe? An welchen Stellen leistet sich der Interviewte Denkpausen (… hm …, … äh …)? Und warum tut er dies? Antwortet er überhaupt auf die gestellten Fragen? Das fordert Beobachtungsgabe, Konzentration, Gespür für Zwischentöne.→ Tipp: Viele Menschen benutzen sinnleere Füllwörter wie eigentlich, irgendwie und sicherlich oder Floskeln wie absolut und total. Gerade dann ist es unsere Aufgabe als Interviewender nachzubohren, denn oft steckt zwischen den Zeilen die Wahrheit. Zum Beispiel: „Du sagst, Du seist eigentlich glücklich? - Wann bist Du denn unglücklich?“
Der gute Stil der Journalisten will es so: Wenn ich mit einem Zitat einsteige, ende ich auch mit einem. Und auch dieses könnte treffender nicht sein. “Sometimes, the simplest question is the best.“ Es kommt vom US-Amerikaner Larry King Cal Fussman, der „Godfather der Interviews.“ Er hat bereits Persönlichkeiten wie Quincy Jones, Woody Allen, oder Serena Williams vor dem Mikro gehabt. Mit Mitte zwanzig habe ich ihn auf einer Konferenz getroffen. Er war auf der Bühne der Redner, und ich habe ihn anmoderiert. Und er war der Einzige, der Standing Ovations bekam – obwohl Google CEO und SAP Vorstand auch da waren. Als Cal die Bühne verließ, hatte ich genau fünf Sekunden für eine präzise Frage an ihn: „Cal, darf ich in den nächsten 30 Minuten ein 30-minütiges Gespräch mit Dir führen?“ Seine Antwort lautete ganz einfach, ganz simpel: Ja.
In diesem Sinne: Ask smart, not hard.
Eure, Laura
PS: Wenn Euch gefällt, was ich schreibe, und ihr noch mehr SMART CHIEFS in eurem Umfeld kennt, freue ich mich, wenn ihr diesen Newsletter an fünf Freunde weiterleitet. Tausend Dank an dieser Stelle! Let’s grow together!
🎧 Podcast-Guru Tim Ferriss und Storytelling-Experte Cal Fussmann sprechen in der „Tim Ferriss Show“ über „The Power of Listening“ (#145). Unbedingt hier reinhören.
🧾 Das Wunder des Vorgesprächs: Was wir von Kindern lernen, wenn wir ihnen Fragen stellen und keine Antwort bekommen. Der Artikel steht hier.
📱 Wer viel und lange am Bildschirm arbeitet, leidet oft an müden Augen. Blynker ist ein Tool, das Euch an regelmäßige Bildschirmpausen erinnert und hilft, Eure Augen zu entspannen.
đź“– Eins der besten Leadership-BĂĽcher, die ich gelesen habe und in dem Fragenstellen eine essenzielle Rolle spielt: Quiet Leadership: Six Steps to Transforming Performance at Work, von David Rock.
🏋🏽‍♂️ Beste Anschaffung unter 30 Euro, die ich zu Hause habe: Therabänder. Passen in jeden Koffer, sind perfekt für drinnen und draußen. Und dazu gibt’s ein passendes Workout, das mir meine Schwester empfohlen hat. (Stellt Euch besser nicht vor, wie ich die Übungen im 9. Schwangerschaftsmonat mache. Es ist hart!)