Wie du 120 Sekunden effektiv nutzt ⏰

Oder es lieber lässt.

Hello Smart Chiefs,

stellt euch vor, ihr schaltet heute Abend die Tagesschau ein. Es ist 20.15 Uhr. Und nichts passiert. Die Moderatorin schweigt, die Kanzlerin druckst herum, Spahn kommt vom Thema ab. 15 Minuten ohne roten Faden, mit ratlosen Zuschauern und der Frage im Raum: Warum nutzen sie die Zeit nicht sinnvoll? Die Vermutung liegt nahe, dass sie das sollten. Trotzdem bin ich dafür, zwischendurch genau das Gegenteil zu tun – und unsere kostbare Zeit im besten Sinne zu „verschwenden“.

Der Historiker Yuval Harari nennt es die größte Schwäche der Menschheit: Wir können uns nicht mehr langweilen. Langeweile ist unheimlich, weshalb wir fast manisch versuchen, sie zu eliminieren. Erst gestern ertappte ich mich selbst dabei: während ich zwei Minuten auf meinen Freund wartete, griff ich automatisch nach meinem Handy, um die „Leere zu füllen". Besser 120 Sekunden nutzen und lesen, statt einfach nur herumstehen. Als ich merkte, dass ich es vergessen hatte, wurde ich unruhig. Mich überkam das beklemmende Gefühl, Zeit „sinnlos“ verstreichen zu lassen. Und das können wir uns doch alle nicht leisten?

Uns selbst und unsere Gesellschaft führt dieses Produktivitäts-Denken in ein Dilemma: Wer ständig „busy" ist, ist selten innovativ. Sinngemäß sagt Harari: Wir erschaffen nichts Neues, weil wir uns nie den Luxus gönnen, sinnlos rumzuspinnen. Stattdessen sagen und tun wir Dinge, die sich in der Vergangenheit bewährt haben. Schlimmer noch: statt Neuigkeiten tauschten wir „Slogans“ aus – also immer wieder die gleichen Floskeln – weil für Fehler & Risiken keine Zeit bleibe. Ich stelle das oft in Podcast-Interviews fest: Sobald das Mikro an ist und die Uhr tickt, erzählen insbesondere Medien-Profis genau das, was sie überall sonst auch erzählen. Kaum ist die Aufnahme vorbei, wird es erst interessant.

In der Politik ist das Phänomen besonders problematisch: einflussreiche Menschen haben nämlich erst recht keine Zeit langsam und offen zu denken. Geschweige denn mitten in der Corona-Krise auf eine Meditations-Retreat zu gehen, um sich mal zu sammeln. Zeitdruck und Machtposition limitieren sie – ob sie wollen oder nicht.

Warum schreibe ich das? Weil ich euch und mich selbst daran erinnern will, dass wir keine Länder regieren. Wir dürfen und sollten uns den Luxus gönnen, uns zwischendurch kurz zu langweilen – und zwar zum Wohle der Gesellschaft. Statt von gestressten Menschen zu erwarten, dass sie die besten Entscheidungen treffen, ist es unsere Pflicht, Raum für Innovation zu schaffen: Macht einen Spaziergang, ohne Ziel vor Augen. Führt Gespräche, die sinnlos erscheinen. Legt euch aufs Bett, ohne Absicht. Was daraus entstehen kann, sind Verknüpfungen, Ansichten oder Ideen, die die Welt verändern können. Harari nennt solche Phasen „Moments of Brilliance."

In diesem Sinne wünsche ich euch diese Woche mindestens eine sinnlose Stunde! Ansonsten rate ich euch: fokussiert euch zumindest auf das Wesentliche. Wie das geht, erfahrt ihr. Let’s work smart, not hard.

Eure, Laura

PS: Wenn euch gefällt, was ich schreibe, und ihr noch mehr SMART CHIEFS in eurem Umfeld kennt, freue ich mich so sehr, wenn ihr diesen Newsletter weiterleitet. Tausend Dank an dieser Stelle! Let’s grow together!

Buch-Tipp: Nir Eyal ist einer derer ist, die für süchtig-machende Produkte wie Social-Media-Apps mitverantwortlich ist. Als Psychologe und Produktmanager erklärte er in seinem ersten Bestseller “Hooked: How To Build Habit-Forming Products”, wie Instagram & Co. aufgebaut sein müssen, damit wir nicht mehr von ihnen loskommen. Jetzt zeigt er, wie wir es doch schaffen könnten. 

Das neue Buch des Bestsellerautors heißt „Die Kunst, sich nicht ablenken zu lassen”. Darin sind praktische Tipps, wie wir unsere Zeit auf Social Media reduzieren, unsere E-Mail-Fluten beherrschen und vor allem dem Grund unserer schlechten Konzentration im Kern anpacken können. Ich habe es innerhalb von 2 Stunden inhaliert und für empfehlenswert befunden. Viel Freude beim Lesen!